Tücken

alt und neu gleich unverständlich

Bildbericht für die Stuttgarter Illustrierte: Tolmein


Hinter jeder Grenze lauert heute mehr denn je das Mißtrauen. Mitunter steigert es sich zur Tücke. Dann wird die Grenze zum unüberbrückbaren Graben, und ein Niemandsland breitet sich um sie. Menschen werden evakuiert, Dörfer niedergelegt, Felder verwüstet. Muß das so sein? Die eine Seite beruft sich auf die Fehler und Vergehen der andern. "Jetzt machen wir Lidice - was geht es euch an?" sagen die Tschechen, wenn man sie wegen der Zerstörung des Grenzdorfes Hermannsreuth fragt. Werden sich die Menschen immer in solchen Teufelskreisen bewegen? Besser, Mißtrauen abbauen - als Grenzdörfer!


Tschechische Soldaten brechen ein Gehöft ab und verladen die Mauersteine auf Heereslastwagen. Warum? Soll längst der Grenze eine "Tote Zone" geschaffen werden, um die zunehmenden Fluchtversuche von politisch Verfolgten zu verhindern? Soll eine Stalinlinie entlang dem Erzgebirge und dem bayrischen Wald gebaut werden? Offizielle Verlautbarungen gibt es dazu nicht.

Mitten durch Hermannsreuth läuft die Scheidelinie, die Europa teilt. Links liegt der deutsche Teil von Hermannsreuth. Das Leben der bäuerlichen Bewohner, die sich im Jahre 1945 um die Bewohner des über Nacht evakuierten böhmischen Dorfteils vermehrt haben, geht hier seinen gewohnten Gang. Am Schlagbaum, der sich nicht öffnen läßt, stehen zwei deutsche Zollbeamte. Rechts davon, jenseits der Grenze, die oft mitten durch die Gehöfte geht, patroullieren die tschechischen Grenzposten, die auf keine Frage und auf keinen Zuruf mehr hören. Von den 25 Häusern der böhmischen Dorfseite sind in den letzten Wochen 15 abgebrochen worden. Der Rest wird in wenigen Tagen verschwunden sein.

Sie drehten sich um, als der Reporter seine Kamera hob. Offensichtlich haben sie Anweisung, sich nicht fotografieren zu lassen. Die tschechischen Posten sind mit russischen Waffen ausgerüstet. Die Offiziere tragen den Sowjetstern an der winterlichen Pelzmütze.

Streifen der tschechischen Miliz tauchen auf. Leise klirren Waffen. Einige Kilometer südlich werden Panzergräben und Wegsperren angelegt. Ganze Dörfer im Grenzgebiet liegen leer und verlassen. Eine trostlose Atmosphäre und unheimliche Erinnerungen liegen über der Landschaft. Die Menschen leben erdrückt und verbittert.